nrwjazz.net / Das Jazzportal für NRW, 03.04.2020

Text & Fotos: Stefan Pieper

Arevot Blri Duduk Hamuyt | Duduk-Ensemble von der sonnigen Anhöhe in Moers

Moers, 03.04.2020 | Im Rahmen der Duisburger Akzente und der Kulturprojekte Niederrhein spielte das führende armenische Duduk-Ensemble Arevot Blri Hamuyt mehrere berührende Konzerte in NRW. Ihr letzter Auftritt in der Moerser Babarakirche bleibt als würdiger Abgesang in Erinnerung...

Stefan Pieper

Die Duduk, dieses Holzblasinstrument mit seinem extrem großen Doppelrohrblatt, auch als armenische Flöte bekannt, soll das melancholischste Instrument der Welt sein. Man kann dieses Superlativ nicht überprüfen. Tatsache ist: Die Musiker des Ensembles Arevo Blri Duduk Hamuyt (Duduk Ensemble der sonnigen Anhöhe) dürften zweifellos zu den „Weltmeistern“ auf ihren Instrumenten gehören. Mancher Westeuropäer dürfte dem empfindsam-klagenden Sound dieser Blasinstrumente mit ihren breiten Rohrblattmundstücken zum ersten Mal in den 1980er Jahren auf Peter Gabriels „Passion“-Filmsoundtrack-Doppel-LP begegnet sein – immerhin hat der Ensembleiter von Arevot Blri Duduk Hamuyt mit Peter Gabriel früher zusammengearbeit

Ashot Kazaryan, Arsen Petrosyan, Hovhannes Margaryan und Aleksan Margaryan werden in Moers durch André Meisner ergänzt, der selbst - unter anderem auch in Armenien - das Spiel auf diesem Instrument studierte. In der Moerser Kirche Sankt Barbara stimmen sie alle zusammen gemeinsam ein in einen tief berührenden Gesang auf ihren Instrumenten, ziehen in eine eigenwillige Harmonik zwischen Orient und Okzident hinein, versetzen mit ihren bebenden Klangfarben den Kirchenraum in Schwingung. Zu Anfang wirkt dies wie ein getragener Choral, um sich dann nicht selten zu tänzerischer Geste aufzuschwingen. Intervalle und Tonabstände sind hier ein sehr variables Element und liegen oft viel enger als normale Ganz- und Halbtonschritte beieinander. Die Überlagerung der Stimmen sorgt nicht selten für eine faszinierend schwebende, flächige Harmonik. Diese Musik verkörpert eine weiche Traurigkeit, aber schwingt sich auch zu tänzerischer Freude auf.

Grandios ist die Rhythmuskunst des gerade mal 12 Jahre jungen Trommlers Aleksan Margaryan in diesem Ensemble. Egal, ob er einen schleppenden, fett pulsierenden Grundrhythmus schlägt oder in rasant punktierten Metren jede Nervenzelle zur Erregung bringt -die Autorität dieses Spiels und dieser Grooves lässt so machne groß besetzte Schlagwerktruppe alt aussehen. Zwischendurch gibt André Meisner aufschlussreiche Erläuterungen zum Hintergrund der Stücke. Sie erzählen Geschichten aus dem Leben, sind voller Metaphorik und Natursymbolik. Das armenische Volk musste schon in zahlreichen dunklen Kapiteln der Geschichte viel erdulden. Musik ist hier umso mehr eine Quelle lebensspendender Wärme. Und das lassen diese hochmotivierten Spieler ihr Publikum in der Barbarakirche sehr unmittelbar spüren. Tief ergriffen kamen viele Hörerinnen und Hörer hinterher auf die Musiker zu, um sich persönlich für dieses Erlebnis zu bedanken. Wohl wissend, dass dies wohl das allerletzte Livekonzert bis auf weiteres gewesen sein sollte – ein würdiger Abgesang allemal!

Das alles ist gerade erst weniger als drei Wochen her und mutet schon wie ein Kapitel aus längst vergangener Historie an. Aus einer Zeit, wo man sich versammeln konnte, wo Menschen reisen konnten. Für die Mitglieder von Arevot Blri Duduk Hamuyt sollte es aber schon eng an diesem Sonntagvormittag werden. Etliche Flüge waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgesagt. Die Rückreise drohte zu einer chaotischen Odysse zu werden. Von Düsseldorf ging schon nichts mehr. André Meisner muss improvisieren, lädt die Musiker ins Auto, bringt sie unter Zeitdruck nach Frankfurt.

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